Pfeil nach oben

2023-01-05 18:52:02 By : Mr. Chen Andy

Melden Sie sich jetzt mit Ihrem bestehenden Account an oder testen Sie unser digitales Abo mit Zugang zu allen Artikeln.

Langer Abgang und ein Hauch von Brombeere? Wer über Wein spricht, landet oft im Fuselbereich der Floskeln. Muss nicht sein! "Wein doch" zeigt, dass wahre Fachkenntnisse über Wein oft aus ganz einfachen Fragen erwachsen. Zum Beispiel der, ob Weißwein wirklich aus weißen Trauben gemacht wird. Oder warum Riesling überall in Deutschland anders schmeckt.

Bald ist 2022 vorbei, endlich. Immerhin, es kamen ein paar schöne Flaschen auf den Tisch. Wein kann das kleine Glück im Weltenunglück sein, und schon deshalb verspüre ich wenig Lust, mich nur mit den negativen Seiten der Weinwelt zu beschäftigen. In ihr gibt es Licht und Schatten, Umweltzerstörer beispielsweise und Umweltschützerinnen, Angeberinnen und nette Leute, Betrüger und ehrliche Menschen. Wie überall. Ich kenne Winzerinnen und Winzer, die zu besuchen jedes Mal herzerwärmend ist. Weniger sympathische habe ich auch erlebt und schnell wieder vergessen.

war bis 2020 ZEIT-Redakteur im Ressort Politik und von 2008 bis 2013 Frankreichkorrespondent der ZEIT. Er ist Mitglied von Verkostungsjurys, organisiert Weinproben, berät ein Fachgeschäft und wurde für seine Artikel über Wein mehrfach ausgezeichnet. "Guter Wein ist nicht kompliziert", sagt er, "kann aber schön komplex sein."

Unter der Adresse wein@zeit.de können Sie ihm Ihre Fragen zum Wein stellen.

Selbst der Umstand, dass die besten Weine für die meisten Menschen unbezahlbar geworden sind, soll mich nicht in einen Mecker-Opa verwandeln. Es gibt schließlich so viele traumhafte Weine, die für uns, die wir keine Millionäre sind, erreichbar geblieben sind!

Kleiner Einschub: Oft höre ich das Argument, die richtig teuren Weine seien eh nicht so großartig. Und wer wolle denn den Unterschied zwischen einem Wein für 50 und einem für 500 Euro schmecken? Ach, Leute. Da spricht der Fuchs, dem die zu hoch hängenden Trauben zu sauer sind. Warum sind sie denn wohl teuer? Der Preis eines Weins drückt aus, was Kundinnen zu zahlen bereit sind. Diese Bereitschaft hat viele Motive, Prestige gehört dazu, aber manche Weine sind nun einmal so außergewöhnlich und rar zugleich, dass sie drei- oder gar vierstellige Beträge pro Flasche erzielen können. Wer Gelegenheit hat, Derartiges zu probieren, wird dafür in den meisten Fällen Verständnis aufbringen. Und ja, die Welt ist ungerecht. Ende des Exkurses.

Die wichtigsten Momente des Tages und Empfehlungen für den Feierabend – ausgewählt von Christoph Amend.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Zurück zu jenem Teil der Weinwelt, der nicht ganz so abgeschottet ist. Reden wir von Beträgen zwischen 20 und 30 Euro. Auch das ist für etliche Mitmenschen viel Geld, ich denke da zuerst an jene, die nichts oder fast nichts verdienen. Andere wiederum gibt es, denen Fernreisen, Modeartikel, Handys, Uhren, Clubbesuche oder Autos wichtiger sind als Weinflaschen. Das habe ich nicht zu kritisieren, doch diese Zeitgenossen sollten mir besser nicht vorhalten, Empfehlungen für Weine um die 30 Euro seien "abgehoben".

Nun die gute Nachricht: Ausgerechnet im Bordelais, also dem großen Anbaugebiet bei Bordeaux, dessen beste Weine Fantastillionen aufrufen, also ausgerechnet dort sind bei näherem Hinsehen hocherfreuliche Flaschen zu entdecken, die weniger als 30 Euro kosten. Eine gute Nachricht für Weintrinker wie mich, die trotz der anschwellenden Vielfalt des Weinangebots hin und wieder einen klassischen roten Bordeaux im Glas haben möchten.

Empfehlen möchte ich besonders die Weine aus den beiden Appellationen Fronsac und Canon-Fronsac. Ihr Namensgeber ist der Ort Fronsac, nahe der Kleinstadt Libourne gelegen. Vorherrschend ist dort jener Boden, der für die berühmteren Nachbarregionen Pomerol und Saint-Émilion typisch ist: lehmig-gelblicher, fossilreicher Kalk, gewissermaßen aus gepressten Seesternen bestehend. Er ist erfahrungsgemäß besonders geeignet für Merlot und Cabernet Franc. Weil die Gegend um Fronsac hügelig ist, standen dort früher viele Windmühlen, was sich in den Namen der Châteaux bis heute widerspiegelt. Der frische Wind, der auf den Anhöhen pfeift, war in der Vergangenheit eher ein Nachteil für die dortigen Weinbaubetriebe, doch mit zunehmender Erwärmung ist er ein Plus geworden.

Mittlerweile erreichen die Weine aus der Region um Fronsac, alles in allem genommen, das Niveau ihrer weltbekannten Nachbarn auf der rechten Seite der Gironde. Ausnahmen sind sicherlich die Rolls-Royce unter den Weinen, Cheval Blanc etwa, Angelus oder Petrus. Die sind eine Klasse für sich, auch preislich. Darunter aber spielen Fronsac- und Canon-Fronsac-Weine mit, etwa Château du Gaby, Haut-Carles, Fontenil, Moulin Haut-Laroque, La Vieille Cure, Vrai Canon Bouché, Canon Pecresse. In den vergangenen zehn bis 20 Jahren habe ich sie oft probiert und stetige Verbesserung festgestellt. Wie gesagt, alles unter 30 Euro.

Vor wenigen Tagen sah ich Bilder einer Demonstration in Bordeaux, auf denen Transparente in den Farben Frankreichs zu sehen waren, mit der Aufschrift "Winzer in Gefahr – trinkt Bordeaux!". Die große Mehrzahl der örtlichen Betriebe zählt nämlich nicht zur Elite und ebenso wenig zur gehobenen Klasse der Weinproduzenten. Sie erzeugen einfache Weine, zuweilen vollauf gelungene, leiden aber derzeit unter dem Zusammenbruch der Nachfrage aus China, der Inflation und unter den sich häufenden extremen Wetterereignissen. Die Winzer fordern mehr Subventionen, war ja klar, und seien es Unterstützungsleistungen für das Aufgeben von Pflanzungen. Das ist alles sehr bitter und steht in scharfem Kontrast zu den glänzenden Geschäften, die der Bordelaiser Weinadel sowie die mit ihm verbandelten Großkonzerne machen, nach wie vor.

Der Losung auf dem Transparent schließe ich mich jedenfalls gern an.

Mit freundlichem Verweis auf die ZDF Magazin Royale vom 14. Oktober 2022: https://www.zdf.de/comedy/zd…

Ist das nicht die Folge, wo man als Zuschauer ohne Ende betrunken angepöbelt und beleidigt wird? ;)

Es hat in Europa eine lange Tradition, Alkohol in Krisenzeiten zu konsumieren. Durchaus auch im Übermaße.

Kein Alkohol ist auch keine Lösung

Wenn Winzer - ob im Bordeaux oder anderswo - in Gefahr geraten, bei Weinpreisen von über 20 € bankrott zu gehen, machen sie etwas falsch. Im Bordeaux haben sie sich, ähnlich wie unsere Fußballer an zu hohe Preise gewöhnt.

Das ist zu undifferenziert; es gibt auch viel Massenware aus dem Bordeaux, die deutlich weniger als 20€ kostet. Und auch 20€ sind nicht in jedem Fall kostendeckend - wer wirklich auf Qualität achtet und nur bestes Traubenmaterial nimmt, der wird unter Umständen auch mehr als 20€ nehmen müssen, um davon gut leben zu können.

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.