Seit dem Frühjahr läuft in 20 Klärwerken bundesweit - auch in Cismar bei Grömitz - ein Pilotprojekt. Das Ziel: Herausfinden, ob deutschlandweit dauerhaft ein Corona-Abwassermonitoring eingerichtet werden soll.
Mit Wasserproben kennt er sich aus. Dirk Kozian ist Abwassermeister im Klärwerk Cismar (Kreis Ostholstein). Auf Coronawerte hat er bislang allerdings nicht geschaut. "Normalerweise checke ich Werte zur Organik, Anorganik oder Stickstoff im Wasser", erklärt Kozian. Doch seit März zapfen er und sein Team zwei Mal pro Woche Abwasserproben direkt aus dem Klärwerk-Zulauf. Hier kommt also das Wasser an, was in den Haushalten heruntergespült wurde - ungefiltert. "Alle 15 Minuten fließt eine Probe zu 50 Milliliter in einen Behälter. So bekommen wir am Tag circa fünf Liter zusammen", so der Abwassermeister.
Aus dieser Menge füllt Dirk Kozian eine Probe in eine Glasflasche. In seinem Klärwerk-Labor bereitet er sie für den Versand vor. Denn auf Corona-Viren kann hier nicht getestet werden. Die lassen sich im Abwasser nachweisen, weil sie über den Darm ausgeschieden werden. "Wichtig ist, dass die Probe auf circa vier Grad gekühlt bleibt, damit sie nicht verfälscht wird." Die genommene Abwasserprobe wird im Klärwerk noch einmal durchgerührt und dann in Kunststofffläschchen abgefüllt. In einem isolierten Karton samt Kühlakkus geht sie anschließend per Express auf die Reise in ein Labor nahe Stuttgart. Dort erfolgt die Corona-Analyse. Die Ergebnisse werden dann an die sogenannte Schaltzentrale gemeldet, unter anderem die Technische Universität Darmstadt, das Robert Koch-Institut und das Umweltbundesamt.
Uta Sablowski freut sich und ist stolz, dass ihr Klärwerk in Cismar Teil des EU-geförderten Projektes ist. Und das als einziges in Schleswig-Holstein. Im Herbst vergangenen Jahres hatte sie sich dafür beworben. Den größten Vorteil beim Abwassermonitoring durch das Klärwerk sieht sie in der Geschwindigkeit. "So können wir eine ansteigende Inzidenzlage viel schneller sehen, als bei den bisherigen Meldeketten der Gesundheitsämter", erklärt die Verbandsvorsteherin des Zweckverbands Karkbrook. Die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten laufe phänomenal gut. Ein weiterer Vorteil: "Die Kläranlage läuft 365 Tage im Jahr, so hat man keine Abbrüche in den Meldeketten, zum Beispiel über die Feiertage".
Zu den 20 teilnehmenden Klärwerken an dem Pilotprojekt gehören unter anderem Hamburg, Rostock und Bramsche. Jedes hat also ganz unterschiedliche Bedingungen, was Einwohnerzahl und Einzugsgebiet angeht. Das Klärwerk in Cismar bereitet in der Nebensaison das Wasser von knapp 25.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf. In der Tourismus-Hochsaison vier Mal so viel. Denn in Cismar landet auch das Abwasser aus Grömitz, Dahme, Kellenhusen, Lensahn, Schönwalde und Teilen von Schashagen. "Ich denke Grömitz ist interessant, weil wir einfach touristisch geprägt sind und da lässt sich gut gucken, welchen Einfluss das auf das Abwasser und die Coronabelastung hat", so Uta Sablowski.
Wie gut das Abwassermonitoring die Corona-Lage in Deutschland wiedergeben kann, soll mit dem Pilotprojekt herausgefunden werden. So muss beispielsweise geklärt werden, wie eine Vergleichbarkeit der Proben aus den einzelnen Klärwerken hergestellt werden kann. Insgesamt elf Monate dauert der Versuch. Im kommenden Frühjahr will die Politik dann entscheiden, ob ein dauerhaftes Corona-Monitoring über die Klärwerke bundesweit eingeführt werden soll. Andere europäische Länder haben das bereits getan, beispielsweise Belgien, Österreich und die Niederlande.
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